Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legte am 17. Juni einen viel ambitionierten Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vor. Dieser wurde vom Bundestag nicht bestätigt, sondern der Entwurf der Koalitionsfraktionen wurde am 18. Juni beschlossen. Der GIH hatte die Inhalte und Auswirkungen des GEGs für Energieberater zusammengefasst.
Die Partei fordert darin eine klare Stärkung des iSFPs. Diese Beratung soll verpflichtend ab 2021 bei Eigentümerwechsel vorgeschrieben sein und bei Ein-und Zweifamilienhäuser zu 100 % gefördert werden. Im Februar wurde die Förderquote von 60 auf 80 Prozent erhöht. Dadurch verdoppelten sich diese BAFA-Energieberatungen. Förderungen sollen an die Erfüllung eines vorab auszuführenden iSFP geknüpft sein.
Zudem soll der verbindliche Anteil Erneuerbarer Energien bei Neubauten ab 2025 100 Prozent betragen. Die Grünen fordern auch eine Berücksichtigung der grauen Energie in Förderprogrammen, genauso wie für Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe. Sie wollen „komplizierte DIN-Normen“ […] durch praxistauglichere Verfahren“ ersetzen und wünschen sich einen „einheitlichen und aussagekräftigen Energieausweis“.
Die meisten dieser Forderungen decken sich mit den Ansichten des GIHs, insbesondere die Berücksichtigung der ganzheitlichen Sanierung mittel eines iSFPs. Der Erfolg zeigt sich auch in den Zahlen des BMWis: Für jeden geförderten Euro im Rahmen der Energieberatung für Gebäude wurden 41 Euro netto in energetische Modernisierungen investiert. Einige Punkten erscheinen aber aus der Praxis – zuminest derzeit – eher überambitioniert. So ist der Effizienzhausstandard 55 in manchen Fällen der Sanierung aus unterschiedlichen Gründen (noch) nicht immer möglich und realistisch.
Die weiteren ambitionieren Forderungen der Grünen (Auswahl)
1. Zeitgemäße Energieeffizienzstandards für Neubau und Bestand definieren und parallel dazu die Förderprogramme anpassen:
- Der von der EU geforderte Niedrigstenergiestandard für Neubauten wird auf dem Niveau des Effizienzhauses 40 festgelegt, was in etwa dem Passivhausstandard entspricht.
- Bei umfassender Sanierung im Bestand soll das Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein.
- Bei schrittweiser Sanierung oder Erneuerung einzelner Bauteile folgen die Einzelmaßnahmen einem individuellen Gebäudesanierungsfahrplan, der ebenfalls am Zielstandard Effizienzhaus 55 ausgerichtet ist.
- Für ensemble- und denkmalgeschützte Gebäude können weiterhin weniger anspruchsvolle Grenzwerte gelten, um baukulturelle und energetische Ziele in Einklang zu bringen.
- Die Inanspruchnahme von Förderprogrammen wird an einen individuellen Gebäudesanierungsfahrplan (bzw. einen Quartierssanierungsfahrplan) geknüpft. Die Erstellung eines Sanierungsfahrplans wird ab 2021 verpflichtend, sobald ein Eigentümerwechsel erfolgt. Der individuelle Sanierungsfahrplan für Ein- und Zweifamilienhäuser soll zunächst zu 100 Prozent öffentlich gefördert werden.
- Der Förderrahmen wird so ausgestaltet, dass in Fällen mangelnder Wirtschaftlichkeit auch das Erreichen des gesetzlichen Standards Effizienzhaus 40/55 mit staatlichen Zuschüssen gefördert werden kann. Diese Möglichkeit wird im Gebäudeenergiegesetz verankert.
2. Den Anteil Erneuerbarer Energien an der Wärmeerzeugung gezielt und zügig erhöhen
- Im Neubau wird der seit 2009 bestehende Pflicht-Anteil an Erneuerbarer Wärme ab sofort angehoben. Ab 2025 gilt für dann neu errichtete Gebäude die Vorgabe 100% erneuerbare Wärme.
- Im Gebäudebestand kommen Erneuerbare ebenfalls verpflichtend zum Einsatz, wenn ohnehin ein Heizungsaustausch ansteht oder umfassend saniert wird. Der Pflichtanteil beträgt für solche Fälle ab 2021 zunächst.
- Im Sinne der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand gilt für öffentliche Gebäude bei Modernisierung ab 2021 ein Pflichtanteil zur Nutzung erneuerbarer Energien von 40 %, der bis 2035 in 5-Jahresschritten auf 100 Prozent ansteigt.
3. Den tatsächlichen CO2-Ausstoß eines Gebäudes stärker in die Berechnungen einbeziehen
- Zusätzlich zu Effizienzstandards und Erneuerbaren-Vorgaben wird ein CO2- Faktor in die Anforderungen des Energiesparrechts aufgenommen um sicherzustellen, dass die Kombination aus Effizienz und Erneuerbaren maximalen Klimaschutz bringt.
- Bei der Berechnung des CO2-Wertes eines Gebäudes sollen Energieeinsatz und CO2-Intensität von Baumaterialien, Bauteilen und Herstellung einfließen (sog. graue Energie).
- Ein gesondertes Förderprogramm für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe soll helfen, den CO2-Abdruck eines Gebäudes bauseitig zu verringern.
4. Bestehende Schlupflöcher schließen und keine neuen zulassen
- Ausnahmeregelungen v.a. im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern werden gestrichen, um die Regeln zu vereinfachen und Vorgaben für den Klimaschutz wirkungsvoller zu machen. So müssen beispielsweise fossile Heizkessel nach spätestens 30 Jahren tatsächlich ausgetauscht werden, auch wenn kein Eigentümerwechsel stattgefunden hat.
- Der Wirtschaftlichkeitsvorbehalt wird zeitgemäß neu definiert, insbesondere durch eine Ausweitung des Betrachtungszeitraums und die Einberechnung von angenommenen Folgekosten für Umwelt und Klima, z. B. durch den Ansatz von 100 Euro pro Tonne CO2. Um wirtschaftliche und soziale Härtefälle zu vermeiden, werden Sanierungen mit weitreichenden Förderprogrammen unterstützt.
- Die Förderung und die rechtlichen Rahmenbedingungen im Mietrecht werden so umgestellt, dass energetische Sanierung in der Regel warmmietenneutral erfolgen kann.
- Komplizierte DIN-Normen werden durch praxistauglichere Verfahren ersetzt, Nachweisverfahren vereinfacht. Das Monitoring soll nach gut messbaren und realistischen Kriterien erfolgen, damit die Wirksamkeit der Maßnahmen bezüglich Energieeinsparung und CO2-Minderung tatsächlich geprüft werden kann.
5. Intelligente Verknüpfung mit dem Energiesystem voranbringen
- Quartierslösungen wie beispielsweise die Versorgung mit CO2-neutraler Fernwärme erhalten im Energiesparrecht mehr Gewicht, da sie gegenüber einer Vielzahl von Einzelheizungen eine effizientere Wärmeversorgung im Bestand ermöglichen, ohne Standards zu unterlaufen.
- Die intelligente Steuerung von gebäudebezogenen Anlagen wie Heizungen, Lüftungsanlagen oder das Laden von Elektrofahrzeugen im und am Gebäude werden durch geeignete und gegenüber VerbraucherInnen offene Datenschnittstellen ermöglicht. Damit werden Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten für EndverbraucherInnen verbessert sowie neue Anwendungsmöglichkeiten für Energiespartechnologien geschaffen.
6. VerbraucherInnen besser informieren und motivieren
- Mit einem einheitlichen und aussagekräftigen Energieausweis erhalten VerbraucherInnen zuverlässige Informationen über Energieverbrauch und energetischen
Zustand des Gebäudes und damit eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für ihre Immobilienwahl. Zur Erstellung des Energieausweises ist eine Vor-Ort-Prüfung des Gebäudes erforderlich. - Für den Einstieg in die Energieberatung werden Beratungsgutscheine für Sanierungsfahrpläne im Sinne einer 100%-Förderung ausgeben und bundesweit der Zugang zu qualifizierten Beratungsangeboten sowie qualifizierte Baubegleitung für das Energiesparen und für die Umrüstung auf Erneuerbare Energien sichergestellt.
- Das informatorische Energieberatungsgespräch bei Verkauf, Vermietung und Sanierung einer Immobilie kann neben den Energieberatern der Verbraucherzentralen auch von Energie Effizienz-Experten durchgeführt werden, die in der Liste der Deutschen Energieagentur dena aufgeführt sind. (Hinweis GIH: Auch auf massiven Druck des Energieberaterverbands werden die Berater der VZ im Gesetz nicht mehr exklusiv genannt.)
- Die Förderprogramme der energetischen Gebäudesanierung und die Förderung von Einzelmaßnahmen werden auf die Umsetzung des Gebäude-Sanierungsfahrplans ausgerichtet. So werden Investitionen in Klimaschutz im Gebäudebereich deutlich wirksamer.
Entschließungantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Gebäudeenergiegesetz vom 17. Juni 2020